Sibylle Bremicker - Praxis für Tiefenpsychologische Körpertherapie

Erfahrungsberichte

Berufsanfängerin im Einzel – Coaching, vier Termine
 
Eine junge Journalistin, Mitte Zwanzig, die gerade das Studium abgeschlossen hat, kommt zu mir mit folgendem Ziel:
Sie wünscht sich, sechs Coachingsitzungen zu machen, mit dem Ziel, am Ende eine Bewerbungsmappe fertig zu haben und Mut
geschöpft zu haben, sich zu bewerben. Sie möchte ihre Panik überwinden vor Bewerbungssituationen. Sie habe nur mit größter Mühe ihre Prüfungsängste in den Griff bekommen um das Jounalistikstudium zu beenden und jetzt scheint alles aussichtslos, da sie sich als so unfähig empfindet, dass sie sich nicht traut, sich zu bewerben. Außerdem sei sie magersüchtig, wolle aber das jetzt nicht auch noch bearbeiten, sondern nur wieder vom hohen Stresspegel der Prüfungen runterkommen, um mit den Symptomen weiterleben zu können.
Ich halte das Ziel für realistisch und mache mit ihr mündlich den Vertrag, sie in der Erreichung dieser Ziele zu begleiten.
Nach vier Sitzungen hat sie sich nicht nur relativ stressfrei beworben, sondern auch noch die Stelle bekommen, die sie sich wünscht!
Wie kommt es dazu?
 
In der ersten Sitzung arbeiten wir unter anderem Mittels einer Aufstellung an der Situation, die schlimmstenfalls eintreten kann, wenn sie in der Bewerbungssituation Panik bekommt (Angsthaltung). Ihre größte Angst ist, kein Wort herauszubringen. Die damit verbundenen Gefühle von Scham, Selbstabwertung, Selbsthass, Resignation, Flucht, konnten ihren Raum haben. Ich fühlte mit, wie schrecklich sie sich damit fühlen muss. Es kam raus, dass es ihr sehr peinlich ist, soviel Angst zu haben, dass sie ihre sozialen Ängste permanent vertuscht und
dass ich der erste Mensch war, bei dem sie sich damit ernst genommen fühlte.
Anschließend bearbeiten wir mittels Gespräch, Phantasiereise und Aufstellungsarbeit wie es sein wird, wenn das Bewerbungsgespräch gut verläuft (Lösungshaltung). Sie fühlt sich dann sicher, entspannt, zwar aufgeregt, kann aber frei und klar ihre Qualitäten darstellen, so dass der Chef ihr die Stelle gibt. Sie ist erstaunt, dass sie wieder Zugang zu ihrer erfolgreichen und zufriedenen Seite bekommen kann. Freude und Stolz über ihren Erfolg können auch entstehen. Sie bekommt das erste Mal Lust, sich im Berufsleben zu behaupten.
 
Als Hausaufgabe gebe ich der Klientin, zur nächsten Sitzung eine Bewerbungsmappe mitzubringen. In der nächsten Sitzung ist sie deutlich entspannter als vorher und ihr ist aufgefallen, dass es ja eine konkrete Stelle gibt, auf die sie sich bewerben will. Ich spiegele ihr, dass ich ihre Mappe überzeugend gut finde und schlage ihr vor, die Mappe dort hinzuschicken.
Die auf diesen Vorschlag aufkommende Panik der Klientin mildern wir mit Körperübungen, die Ruhe und Sicherheit bringen und auch später im Berufsalltag wieder abgerufen werden können (z.B. den Kontakt der Füße am Boden fühlen, in den Bauch atmen, sich an eine Situation erinnern, an der sie sich sicher und geborgen gefühlt hat, sich auf das eigene Ziel konzentrieren).
Anschließend wünscht sich die Klientin, das Bewerbungsgespräch in der Angsthaltung und danach in der Lösungshaltung durchzuarbeiten. Dabei fällt der Klientin auf, dass ihre Angst vor der Situation mehr aus einem ungelösten Konflikt mit ihrem Vater herrührt als vor dem konkreten Chef. Dies erleichtert die Klientin so sehr, dass sie sich bereits nach der dritten Sitzung traut, die Mappe abzuschicken.
 
Das Bewerbungsgespräch verläuft zufriedenstellend und sie erhält den Job, wie sie mir in der vierten Sitzung freudestrahlend mitteilt!
Danach habe ich die Klientin nie wieder gesehen.